Notizen der Kochkunstgeschichte : Antike Genüsse

Wenn wir morgen ein lukullisches – dekadentes, völlendes und erotisches – Gelehrtenmahl abhalten wollten, wie lang wäre wohl unsere antike Einkaufsliste geworden? Man würde riesige Platten benötigen, um ein trojanisches Schwein zu servieren, gefüllt mit Würsten und anderen Leckereien, einen Brunnen, aus dem Wein fließen soll, eine große Menge Safran zum Färben der Speisen, ausgestorbene Kräuter wie z.B. Silphium (verwandt mit der Asafoetida) und natürlich nicht zu vergessen das antike “Maggi” : Garum !

Garum – das antike Maggi

Garum – die einen nennen es Sünde oder “eine kostspielige Jauche aus verdorbenen Fisch (Seneca)“, andere würden es Potzblitzsauce nennen (auch, wenn diese Würzsauce freilich keinen Fisch enthält!). Wenn ich hier über Garum schreiben wollte, dann müsste ich auch über Glutamat, Sojasauce, Brühwürfel und umami schreiben, deswegen werde ich mich hier nur auf folgendes beschränken: ihre Herstellung war keine schöne Angelegenheit. Tagelang verrotteten Fische in engen Tümpeln oder Erdlöchern (Anchovies und was noch so alles im Meer zu finden war), bis man eine gelbgoldene, bernsteinfarbene Sauce extrahieren konnte. Wer wissen will, wie Garum geschmeckt haben könnte, soll sich eine Fischsauce aus dem Asiamarkt kaufen und testen. Sie duftet wie ein gut gereifter Käse, schmeckt würzig, salzig, nicht zu käsig und verleiht einem Curry einen unbeschreiblichen, warmen, ja fast schon “organischen” Geschmack – ich finde einfach keinen besseren Ausdruck. Es ist das, was das Curry erst abrundet. Beim Parfümeur wäre es der eine Fehlton, der das Parfüm so unwiderstehlich macht.  Der volle Geschmack lässt sich wahrscheinlich mit dem hohen, natürlichen Glutamatgehalt und seiner Anchoviewürzigkeit erklären. Diese kleinen Fische werden gerne auch noch heute, zum Beispiel in der italienischen Küche als Würzmittel verwendet. 

Die Römer hatten also nicht nur das Laster des Geschmacksverstärkers für sich entdeckt, sondern auch das Laster des schnellen Essens. “Ich warte schon darauf, dass ihnen Vorgekautes serviert wird, ” schimpft Seneca weiter. Man aß in Garküchen eine Focaccia oder einen puls, einen nahrhaften Getreidebrei, von denen die Soldaten auf langen Märschen  zehren konnten.

Gelehrtenmahl oder Orgie?

Man aß, wenn man es sich leisten konnte, im Liegen, einen ganzen Abend lang, man traf sich in der Therme und aß dort weiter. Es ist kaum verwunderlich, dass man heute noch ein dekadentes Bild der reichen Bürger Roms im Kopf hat, nicht zuletzt, wenn man das Cena Trimalchionis gelesen hat.

Während die Stoiker der Enthaltsamkeit frönten, um sich dem wichtigen, dem Denken und Philosophieren und dem Glück zu widmen, labten die Epikurer in diesseitiger Lustmaximierung. Das “Carpe Diem” wurde von manch einem so verstanden, eine dionysische Orgie abzuhalten. Aber ich will hier natürlich kein falsches Bild erzeugen, da waren noch die Bauern, die einfache Speisen aus Getreide und Gemüse aßen, oder die Soldaten, die sich wie oben erwähnt meistens nur von Brei ernährt haben, weil sie auf Märschen nichts anderes hatte. Da der Brei sehr nahrhaft war, konnte er viele Männer lange Zeit sinnvoll kräftigen und sättigen.

Auch den Göttern gab man zu essen

Man hatte kleine Altäre in der Nähe des Herdes, dort hinein wurden Tonfigurinen gestellt. Die Laren und Penaten waren Hausgottheiten, denen kleine Opferspeisen gegeben wurde. Wenn die Familie aß, durften die Götter auch ein wenig mit essen. Extra für sie wurden kleine Opferhonigkuchen gebacken, die mit Safran goldgelb gefärbt wurden.

Der römische Kochkünstler Apicius erfand ungewöhnliche Speisen, sogar Käsekuchen soll nach ihm benannt sein.